Fachdidaktisches Know How
der Pädagogischen Hochschule Heidelberg in Kolumbien
von Elmar Breuer und Manuela Welzel
Ein Koffer voll Experimentiermaterial und zwei
motivierte Mitarbeiter(innen) der Pädagogischen Hochschule
Heidelberg gingen im August diesen Jahres auf Reisen: in die Partnerhochschule
"Escuela Normal Superior Maria Auxiliana" in Copacabana,
Kolumbien.
Ziel der Reise, die im Rahmen des Projektes "Patio
13 - Schule für Straßenkinder" durchgeführt
wurde, war unter anderem, den bereits seit anderthalb Jahren Deutsch
lernenden Abiturientinnen, auch ein Teilgebiet der Physik in deutscher
Sprache und mit handlungs- und schülerorientierten Unterrichtsmethoden
näher zu bringen. Dabei sollten die zukünftigen Lehrerinnen
selbst handlungs- und schülerorientierte Unterrichtsmethoden
kennen und durchführen lernen. Die deutsche Sprache lernen
die Mädchen übrigens im Rahmen einer bilingualen Ausbildung,
die auch innerhalb unserer Hochschulpartnerschaft entwickelt wurde
und durchgeführt wird. Verantwortlich hierfür ist Hans-Werner
Hunecke aus dem Fach Deutsch.
Physikunterricht kennen die Abiturientinnen bisher
vor allem als theoretisch und frontal durchgeführten Kurs.
So war das Unternehmen auf beiden Seiten eine Quelle neuer Erfahrungen.
Zunächst gingen wir, Dr. Elmar Breuer, Lehrbeauftragter
im Fach Mathematik und Studienrat für die Fächer Physik,
Mathematik und Informatik am Gymnasium Englisches Institut Heidelberg
sowie Prof. Dr. Manuela Welzel aus dem Fach Physik und dem NTG -
Institut, davon aus, dass abstraktes physikalisches Wissen nur über
den individuellen und persönlichen Umgang mit Phänomenen
entwickelt werden kann. Das heißt zum Beispiel, dass Kinder,
die den elektrischen Stromkreis verstehen sollen, auch mit Kabeln,
Lämpchen, Fassungen, Schaltern, Batterien u.Ä. experimentieren
müssen.
Also besorgten wir solches Material für eine
Schulklasse mit 50 Kindern (herzlichen Dank der Pädagogischen
Hochschule Heidelberg für die Finanzierung) und konzipierten
einen Kurs, der zunächst zum Ziel hatte, den Mädchen die
Gesetze des einfachen und verzweigten Stromkreises in deutscher
Sprache zu vermitteln und sie dabei selbst experimentelle Erfahrungen
sammeln zu lassen (s. Foto 1):
Foto 1: Wie bringt man eine Glühlampe ohne
Drähte zum Leuchten?
Sie brachten Glühlämpchen zum Leuchten,
wickelten selbst Glühdrähte, die sie mit der Batterie
auch zum Leuchten brachten, bauten Serien- und Parallelstromkreise,
fügten Schalter ein, fanden und erklärten Zusammenhänge
zwischen der elektrischen Spannung und der Stromstärke, untersuchten
die elektromagnetische Wirkung des elektrischen Stromes und bauten
selbst Elektromagnete - alles mit sehr einfachen Mitteln.
Die Mädchen waren begeistert und wir auch.
Wir konnten beobachten, dass sie sehr intensiv beim Experimentieren
in Gruppen miteinander diskutierten, nach Erklärungen suchten
und immer wieder neue Fragen nach Zusammenhängen stellten.
Dabei stellte sich heraus, dass die Forderung nach Anwendung der
deutschen Vokabeln und die Suche nach deutschsprachigen Formulierungen,
die physikalische Begriffsbildung unterstützte. Im zweiten
Teil unseres Besuches sollten die Mädchen ihre eigenen Erfahrungen
anwenden und selbst Unterricht planen, diesen Unterricht in der
eigenen Gruppe simulieren und optimieren, um ihn dann anschließend
in der Schule mit jüngeren Schülerinnen (in deutscher
Sprache) oder im Patio mit Straßenkindern (in spanischer Sprache)
durchführen zu können - schließlich werden sie selbst
Lehrerinnen.
Foto 2: Kolumbianische Studentinnen planen eigenen
Physikunterricht in deutscher und in spanischer Sprache Sie legten
also Themen für einzelne Unterrichtsstunden fest (s. Foto 2),
planten Inhalte, Methoden und Experimente und nahmen die Simulation
mit der Videokamera auf. Die Mädchen überraschten uns
dabei mit einer sehr guten Kenntnis der pädagogischen Kontexte.
Sie hatten bereits Erfahrungen im wöchentlichen
Praktikum mit den Straßenkindern gesammelt und wussten, was
durchführbar ist und was nicht.
Die Unterrichtsentwürfe wurden nach der Diskussion
der Simulation noch einmal verbessert und dann ging es hinaus. Leider
waren wir selbst zu diesem Zeitpunkt schon wieder in Heidelberg,
aber die Berichte und Fotos sprechen für sich: Es hat funktioniert.
Die Straßenkinder haben genauso wie die Mädchen ausgiebig
experimentiert und nach Erklärungen gesucht (s. Foto 3).
Sie waren sehr konzentriert und interessiert bei
der Sache und wollten mehr darüber wissen.
Foto 3: Straßenkinder im "Patio 13"
in Medellín beim Lernen von Physik mit Studentinnen der "Escuela
Normal Superior Maria Auxiliana"
Die Schülerinnen kennen einige Grundlagen
zum elektrischen Stromkreis in spanischer und deutscher Sprache
und können diese mit Experimenten unterrichten. Sie und wiederum
ihre Schüler(innen) zeigen sich sehr interessiert und motiviert,
sich weiter mit naturwissenschaftlichen Phänomenen auseinander
zu setzen.
Inzwischen haben unsere Schülerinnen selbst
mehrere Stunden mit dem von uns mitgebrachten Material unterrichtet.
Sie senden uns Berichte und fragen nach neuen Inhalten. Und wir?
Wir planen, diese Ausbildung im nächsten Jahr mit einem neuen
Thema fortzusetzen und dabei auch Studierenden unserer Hochschule
eine Möglichkeit für ein Praktikum an der "Escuela
Normal Superior" in Copacabana zu geben.
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