"Mannheimer Morgen". 5. Februar 2002
              Heidelberger Studenten unterrichten Straßenkinder in Südamerika
                Bundesweit einzigartiges Modellprojekt der Pädagogischen Hochschule 
                - holt das Klassenzimmer in die Slums 
                Simone Jakob
               
                "Warum reden wir nur über Kolumbien und fahren nicht einfach hin?" 
                Mit dieser Frage brachten neugierige Studenten eine fantastische 
                Freundschaft auf den Weg. Denn heute pflegt die Pädagogische Hochschule 
                Heidelberg eine lebendige Partnerschaft mit der kolumbianischen 
                "Escuela Normal Maria Auxiliadora" nahe der Millionenstadt Medellin 
                und hat dort das bislang einmalige Projekt "Schule für Straßenkinder" 
                gestartet. 
                Betreut wird das Forschungsvorhaben von dem Heidelberger Religionswissenschaftler 
                und Pädagogen Professor Hartwig Weber. "Bis heute hat sich niemand 
                in Südamerika die Frage gestellt, wie sich Schule und Lehrer dem 
                Phänomen Straßenkinder gegenüber verhalten sollen", erklärt Hartwig 
                Weber im Gespräch mit unserer Zeitung. 
                "Unser Projekt Patio 13 will verlassenen und verwaisten Kindern 
                in den Slums durch Bildung die Chance auf ein besseres Leben geben."
                Mit Unterstützung der "Heidelberger Druckmaschinen" haben Weber 
                und sein Team ein Modellprojekt entwickelt: "Wir können die Situation 
                der Kinder nur verbessern, wenn wir ihre Lebensumstände kennen, 
                deshalb sollen sie sich selbst zu Wort melden und über ihren Alltag, 
                ihre Probleme mit Gewalt und Drogen sowie über ihre Hoffnungen 
                berichten.
                Um authentische Einblicke zu bekommen, werden die sechs bis 14 
                Jahre alten Kinder als Fotografen alles im Bild festhalten, was 
                ihnen wichtig ist", erklärt Weber. 
                Und hier kommen die Studenten ins Spiel: Im "Patio Don Bosco", 
                einer Einrichtung für Straßenkinder, versuchen angehende Lehrer 
                aus Heidelberg und Medellin, mit den Kindern in Kontakt zu kommen. 
                Und weil das nicht einfach ist, hilft Weber seinen Studenten via 
                E-Mail. Manche Betreuer leben mit den Straßenkindern in Einrichtungen 
                wie dem Don Bosco-Zentrum zusammen, um das Eis zu brechen. Später 
                ziehen Kinder und Helfer mit Einwegkameras durch die Slums, schreiben 
                gemeinsam Berichte und gestalten eigenen Unterricht. Dazu wird 
                auf der Straße eine kleine Schule eingerichtet. 
                Aus den Bildern und Texten wird eine Ausstellung zusammengestellt, 
                die in Kolumbien und in Deutschland zu sehen ist. Das Projekt 
                ist auf vier Jahre angelegt und soll in der Schlussphase auch 
                auf andere Länder übertragen werden.
                "Die PH hat Kontakte zu Hochschulen in 30 Ländern und wir haben 
                schon jetzt Interessenten aus anderen südamerikanischen Ländern 
                und Afrika", freut sich Weber über den guten Start.
                Im März fliegt er mit seinen Mitarbeiterinnen Stefanie Klaiber 
                und Anne Schmehl nach Kolumbien. Die beiden pauken schon fleißig 
                spanische Vokabeln, denn "sehr gute Sprachkenntnisse sind Voraussetzung 
                für den Aufenthalt", betont der Professor. Auch flexibel müssen 
                die Helfer sein, denn ein halbes Jahr sollten sie in Südamerika 
                bleiben. Falls das Projekt glückt, wird es auf die 137 Universitäten 
                des Landes ausgedehnt. "Wenn eines Tages ehemalige Straßenkinder 
                selbst Lehrer werden können und andere unterrichten, ist mein 
                Traum wahr", sagt Weber.
                
                Internet: www.patio13.de.
                E-Mail-Kontakt: hartwig.weber@ph-heidelberg.de
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              Eine Zukunft für die Straßenkinder
                Gemeinsames Bildungsprojekt von Heidelberger Druckmaschinen und 
                PH Heidelberg für Kolumbien
                Von Ingeborg Tzschaschel 
                
                
                Bildung zählt neben Nahrung und Obdach zu den Grundbedürfnissen 
                und Grundrechten. Dennoch sind heute noch fast eine Milliarde 
                Menschen nicht in der Lage, ihren Namen zu schreiben, ein Formular 
                auszufüllen oder gar einen Computer zu bedienen. Nach Berichten 
                des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen UNICEF leben 20 bis 
                30 Millionen Kinder auf der Straße und sind in einer hoffnungslosen 
                Situation. Für diese Kinder ist Bildung der Schlüssel 
                zur Zukunft, sie ist Voraussetzung dafür, einen qualifizierten 
                Arbeitsplatz zu bekommen. 
                Ziel eines gemeinsamen Projekts der Heidelberger Druckmaschinen 
                AG und der Pädagogischen Hochschule Heidelberg ist es, verlassenen, 
                entwurzelten und verwaisten Kindern in Kolumbien durch Bildung 
                die Chance auf ein besseres Leben zu geben. Der Religionswissenschaftler 
                und Pädagoge Prof. Hartwig Weber, PH Heidelberg, und Simone 
                Wessely, zuständig für Sponsoring bei der Heidelberger 
                Druckmaschinen AG, stellten in der Print Media Academy das Projekt 
                "Patio 13 - Schule für Straßenkinder" vor. 
                
                Das jetzt gestartete Projekt ist Forschungsvorhaben und Praxisprojekt 
                zugleich und will mit seinem neuartigen Ansatz eine Brücke 
                zwischen Schule und Straße, Lehrerausbildung und Straßenkindern 
                schlagen. Die Lebenssituationen von Kindern, die auf der Straße 
                leben, werden untersucht, um sie verbessern zu können. Das 
                Projekt ist auf vier Jahre angelegt und wird von dem Unternehmen 
                mit mehreren Zehntausend Mark jährlich gesponsert. Professor 
                Weber betonte, dass die Pädagogische Hochschule Heidelberg 
                Kontakte zu anderen Hochschulen und Universitäten in etwa 
                30 Ländern unterhalte. 
                Dabei seien ihm Beziehungen zu Ländern der Dritten Welt besonders 
                wichtig. Kinder in Deutschland sollen von Kindern in'" fernen 
                Ländern erfahren, Studierende aus Heidelberg sollen mindestens 
                ein Semester im Ausland verbringen. Er selbst arbeitete von 1975 
                bis 1977 am Erziehungsministerium in Bogota als Leiter eines deutschen 
                Bildungsprojektes in der Lehrerfort- und Weiterbildung. Seit dieser 
                Zeit beschäftigt er sich mit den sozialen Brennpunkten in 
                dem südamerikanischen Land. 
                Unter der Leitung von Sor Sara Sierra, die dem Rat der kolumbianischen 
                Primar-Lehrerausbildungsstätten vorsitzt, und Hartwig Weber 
                arbeitet eine Gruppe von Wissenschaftlern, Straßenpädagogen 
                und Studierenden im Zentrum und in den Slums der Millionenstadt 
                Medelin. Mit Einwegkameras werden die Straßenkinder sich 
                selbst und ihre Umgebung fotografieren und so ihre Wirklichkeit, 
                Erfahrungen, Wünsche und Hoffnungen ausdrücken. Mit 
                den Fotos vermitteln sie authentische Einblicke in eine fremde 
                Welt, und mit Berichten und Erzählungen kommentieren sie 
                ihre Bilder. Projektziel sei es, so der Heidelberger Pädagoge, 
                dass die Straßenkinder die Chance erhalten, die Schule zu 
                besuchen. In ihrem Umfeld werden Straßeneckenschulen eingerichtet. 
                Pädagogik, Didaktik und Methodik werden gemeinsam mit den 
                betroffenen Kindern entwickelt. Ziel sei es auch, in die kolumbianische 
                Lehrerausbildung den neuen Studienbereich "Straßenkinderpädagogik" 
                zu integrieren. . Simone Wessely hob hervor, dass die Heidelberger 
                Druckmaschinen mit dem Projekt einen Beitrag zur Resozialisierung 
                und zur Alphabetisierung von Straßenkindern in Kolumbien 
                leisten wollen. Das innovative Bildungsprojekt der Pädagogischen 
                Hochschule Heidelberg hätte einen starken Unternehmensbezug 
                und fördere den weltweiten interkulturellen Dialog. Der Sponsor 
                Druckmaschinen, so Wessely, werde sein Know-how auf verschiedenen 
                Ebenen in das Projekt einbringen und in die Lehrlingsausbildung 
                integrieren. 
                
                RheinNeckarZeitung, Heidelberg