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Hintergrundinformationen / Erfahrungsberichte / Cardona

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„In Deutschland war alles anders, ich musste
mich persönlich verändern”

Isabel Cristina Valencia Cardona:
Erfahrungsbericht über ihren Studienaufenthalt in Heidelberg
von Oktober 2004 bis August 2005

„Patio 13, eine Schule für Straßenkinder“ ist ein Projekt internationaler Zusammenarbeit der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und der Escuela Normal Superior Maria Auxiliadora in Copacabana in Kolumbien. Dieses Projekt hat mich auf die Idee gebracht, mich um Straßenkinder zu kümmern.

Ich denke, dass diese Kinder eine besondere Erziehung brauchen. Ich arbeite mit den Kindern des Heimes „Ciudad Don Bosco“ seit 3 Jahren zusammen. Ich weiß, dass ihre Lernprozesse sehr unterschiedlich im Vergleich zu den Kindern aus normalen Schulen sind. Deshalb haben wir für diese Kinder andere Lehrmethode entwickelt, bei denen sie aktiv am Lernen mitarbeiten. Zum Beispiel müssen die Kinder selbst beim Basteln das Material für die Aufgaben produzieren, dann haben sie schließlich viel Freude und entwickeln ein eigenes Interesse am Lernen.

In der Escuela Normal Superior María Auxiliadora („Normal“) gibt es viele Studenten, die das Projekt sehr interessant finden. Zur Zeit haben wir dort 4 Schwerpunkte: Spanisch, Mathematik, Sozialwissenschaften und Naturwissenschaften. Ich finde, dieses Projekt ermöglicht eine neue Sicht auf das bekannte Problem „Straßenkinder“. Es ist eine Idee mit viel Energie und großer pädagogischer Bedeutung. Es ist eine gute Möglichkeit für mich zu lernen und erzeugt eine Konfrontation mit der Realität unseres Landes.

Diese Erfahrung hat sowohl uns als auch die Kinder und Jugendliche verändert. In meinem Fall glaube ich, dass die Furcht vor den Menschen, die auf der Strasse leben, kleiner geworden ist. Ich habe erfahren, dass ein Lehrer das Vertrauen der Kinder gewinnen muss, aber nicht die Autorität verlieren darf. Ich kann sagen, dass ich mit den Kinder des Patio Treue, Beharrlichkeit und Bemühung in ihrer Bedeutung neu gelernt habe.

Am Projekt teilzunehmen, ist für mich nicht einfach gewesen. Jeder Tag brachte neue Überraschungen. Zum Beispiel erinnere ich mich genau an meinen ersten Tag im Patio. Ich bin mit dem Bus von Copacabana nach Medellin gefahren. In Medellin wollte ich den Patio finden. Einige meiner Mitstudenten kannten schon den Weg. Deshalb hatten wir uns entschieden, uns an der Metro-Station „Cisneros“ zu treffen. Diese Station liegt in der Nähe des Patio.

Ich hatte mich aber verspätet, und als ich am Treffpunkt ankam, waren die anderen schon weg. Deshalb müsste ich selbst die Adresse suchen.

Leider habe ich mich sofort verlaufen. Überall waren schmutzige Menschen. Auch die Straßen waren sehr schmutzig. In diese Region befindet sich vor allem die Bauholzindustrie sowie Schwarzmarktgeschäfte.

Nie in meinem Leben habe ich so etwas gesehen, meine Knie zitterten, und ich wusste nicht, ob ich auf dem richtigen Weg war.

Mitten in dem Durcheinander konnte ich ein Plakat erkennen, darauf stand „Bienvenido a Barrio Triste“. Ich konnte nicht glauben, dass ich an einem der gefährlichsten Orte von Medellin gelandet war. Von diesem Moment an wusste ich, dass die Arbeit für mich nicht einfach werden würde.

In der Zeit von Oktober 2004 bis August 2005 hatte ich die Möglichkeit, nach Deutschland (Heidelberg) zu kommen und Erfahrungen mit Lehrern, Studenten und vielen Leuten auszutauschen.

Alles war unglaublich intensiv und verlief sehr konstruktiv. Aber auch die ruhigen Straßen, das Schloss und die vielen Geschäfte von Heidelberg haben mich sehr beeindruckt. Für mich war das alles ganz neu und sehr interessant. Am Anfang war vieles nicht einfach für mich. In Kolumbien wohnen wir bei unseren Eltern. Aber in Heidelberg war es ganz anders. Ich musste mich selbst verändern. Ich war hier für mich verantwortlicher. Zum Beispiel musste ich täglich kochen, einkaufen und waschen. Ich habe mich zu Beginn auch ein bisschen einsam gefühlt. Mit der Zeit habe ich mich an das Leben in Deutschland gewöhnt und es schließlich sehr genossen.

Im Winter 2004 habe ich an der PH folgende Seminare besucht:

•  Deutsch für ausländische Studierende (Niveau I)

•  Kultur und Landeskunde

•  Bildung für Straßenkinder

•  Übung zur deutschen Aussprache.

•  Mönchtum in Geschichte und Gegenwart.

•  Naturphänomene zur Elektrik und Magnetik

Am Anfang war mein Deutsch nicht sehr gut. Ich habe deshalb anfangs nur sehr wenige Seminare an der Hochschule besucht. Das war aber ein Fehler, und ich denke, dass die Studenten aus Kolumbien vor allem in den Seminaren Deutsch lernen.

Im Sommersemester habe ich dann mehr Seminare besucht:

•  Übung zur deutschen Aussprache. Übungsbehandlung stimmlicher und artikulatorischer Fehlleistungen.

•  Märchen vorlesen und erzählen in der Schule.

•  Deutsch für ausländische Studierende (Niveau. II)

•  Brennpunkte der Diakoniegeschichte.

•  Kultur und Landeskunde.

•  Sprachkritik und Sprachkultur.

•  Pädagogische Psychologie: Motivation und Interesse.

•  Pädagogische Hilfen für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche.

•  Einführung in die Beobachtung, Planung und Evaluation von Unterricht.

•  Bildung und Erziehung in interkultureller Perspektive: Institutionelle Bedingungen pädagogische Konzepte und Erprobungen in der Praxis.

•  Naturphänomene zu Balance und Bewegung.

In der Heiligenberg Schule habe ich auch eine Übung gemacht und die Schüler der zweiten Klasse unterrichtet. Wir haben über Tiere auf dem Bauernhof gearbeitet.

Jedes Seminar hat mir neue Ideen gebracht. Die Dinge, die ich in Deutschland gelernt habe, will ich in Kolumbien aktiv in das Projekt einbringen.

Ich war sehr beeindruckt, dass es in meiner Klasse Kommilitonen aus vielen Ländern gab. Zum Beispiel aus Indonesien, Portugal, England, USA oder Chile. Es gab dort viele Einflüsse der verschiedenen Kulturen, und davon konnte ich viel lernen. In der PH studiert zu haben, war eine gute Möglichkeit viele Leute kennen zu lernen und mein Deutsch zu verbessern.

Ich habe auch in dem Institut für Heilpädagogik und Erziehungshilfe Spanisch unterrichtet.

Außerdem hatte ich die Möglichkeit andere Städte zu besuchen. Zum Beispiel Paris, Straßburg (Europaparlament), München, Freiburg, Mainz, die Insel Mainau, Österreich und Berlin.

Besonders eindrucksvoll war für mich Berlin, eine große Stadt ist mit wichtigen historischen Orten. Beeindruckt war ich von der Museumsinsel oder der Straße Unter den Linden, wo ich oft spazieren ging und immer etwas Neues und Interessantes entdeckte.

Ich bedanke mich bei dem Baden-Württemberg-Stipendium ganz herzlich für die Möglichkeit nach Deutschland zu kommen.

Alle Einladungen oder Aktivitäten haben mir sehr gut gefallen. Hier habe ich gelernt, dass das Baden-Württemberg-Stipendium für Studierende das wichtige Ziel hat, den internationalen Austausch zwischen hoch qualifizierten deutschen und ausländischen Studierenden zu fördern. Gleichzeitig werden die Bindungen zwischen den Hochschulen und Universitäten des Landes und ihren ausländischen Partnern angeregt und gefestigt. Ich finde, das ist eine vielleicht weltweit einmalige Chance.

In der Zukunft werde ich mein Studium in Kolumbien fortsetzen und auch weiterhin in dem Projekt Patio 13 mitarbeiten, wobei mir die Erfahrungen, die ich in Deutschland gemacht habe, zugute kommen werden.

Heidelberg, den 10. August 2005
Isabel Cristina Valencia Cardona

Email: isa_4746@yahoo.com