Thema Straßenkinder
Straßenkinder in aller Welt
Straßenkinder - das sind Minderjährige ohne Familie,
für die
die Straße zum Überlebensort,
zum Wohn- und Arbeitsplatz geworden ist. Sie halten sich auf
Straßen und Plätzen oder in leer stehenden Häusern
auf, allein oder in "gangs".
Was ihnen fehlt, sind Zuwendung, Geborgenheit, Erziehung. Stattdessen stoßen sie auf Ablehnung und Gleichgültigkeit, Gewalt, Ausbeutung und Mißbrauch. Auf die Ausgrenzung, die sie erfahren, reagieren sie mit Aggression und Delinquenz.
Straßenkinder, früher
ein Symbol einiger armer Länder in der Dritten Welt, sind
inzwischen zu einem Weltproblem geworden: Nach Angaben von UNICEF
schlagen sich 20 bis 30 Millionen verlassener und verstoßener
Kinder als Bettler und Babystricher, Diebe und Drogendealer
durch. Fast die Hälfte von ihnen lebt in Lateinamerika.
Das einst ferne Problem Straßenkinder
ist mittlerweile auch bei uns zur hautnahen Wirklichkeit geworden.
Blitzlicht
4000 Städte
hat Brasilien. Dort leben 7 Millionen Kinder auf der Straße:
als Bettler, Schuhputzer, Diebe oder Prostituierte.
In Rio de Janeiro werden jedes
Jahr Hunderte von Straßenkindern, viele jünger als
zehn Jahre alt, ermordet.
Kriege und Naturkatastrophen in Afrika haben unzählige Kinder zu Waisen gemacht. In Ruanda wurden 100 000 Kinder von ihren Eltern getrennt, die meisten zwischen zwei und acht Jahre alt.
In Dar es Salam, der größten
Stadt Tansanias, lebt ein Drittel der 2,8 Millionen Einwohner
unter der Armutsgrenze. In unregelmäßigen Abständen
werden die Straßen und Bürgersteige von Kleingewerbetreibenden
und Straßenkindern "gesäubert", Bulldozer zerstören
die Bretterbuden, mit Gewalt werden die Kinder auf Lastwagen
gepackt und an den Stadtrand gekarrt.
In Äthiopien, dem ärmsten
Land der Welt, leben nach zwei Jahrzehnten Bürgerkrieg,
Wirtschaftskrisen, Hungersnöten und Dürrekatastrophen
60 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze und 150
000 Kinder auf der Straße. Zunehmend sieht man dort junge
Mädchen, die ihre Kinder im Freien gebären. Nach Schätzungen
von UNICEF ziehen 10 000 junge Mütter ihre Babys auf der
Straße groß.
In Maputo, der Hauptstadt Mosambiks,
sind die meisten Straßenkinder bewaffnet, zumindest mit
einem Messer. Ständig kommt es zu Kämpfen zwischen
Jugendbanden. Der dreißigjährige Bürgerkrieg
hat 5 Millionen Menschen entwurzelt, 1,7 Millionen als Flüchtlinge
aus dem Land vertrieben, 250 000 Minderjährige zu Waisen
gemacht. Den Straenkindern stellt sich die Alternative: entweder
Armut und Obdachlosigkeit oder Kriminalität und Gewalt.
In Asien müssen mehr als 100 Millionen Kinder ihren Lebensunterhalt selbst verdienen.
In den Städten Chinas sind 80 Prozent der Kinder im Alter von sechs bis vierzehn Jahren als Haushaltsgehilfen tätig. Viele sind von ihren Eltern, die als Wanderarbeiter von Stadt zu Stadt ziehen, allein gelassen worden.
In Indonesien arbeiten 6 Millionen Kinder im Alter von zehn bis vierzehn Jahren.
Die Zahl der Kinderarbeiter in Indien soll mindestens 50 Millionen ausmachen.
In Thailand arbeiten 100 000 Kinder unter 16 Jahren als Prostituierte.
In Rumänien sind mindestens 60 000 Kinder von zu Hause weggelaufen, schlafen in Hauseingängen, Ruinen und Bahnhofsnischen, auf Fernwärme-Rohren und aufgeheizten Gully-Deckeln oder in Kanalschächten.
In den ehemaligen Sowjetrepubliken
haben Arbeitslosigkeit und tägliche Not Hunderttausende
Minderjährige aus ihren Familien auf die Straße vertrieben.
In Russland leben zwei Drittel der Familien mit kleinen Kindern
in Armut. Allein in Moskau gibt es fast 150 000 Straßenkinder.
Jedes Jahr werden dort etwa 200 000 Kinder und Jugendliche wegen
Straftaten verurteilt; die Hälfte von ihnen sind Straßenkinder.
Straßenkinder üben dort jährlich etwa 100 Morde
aus, deren Brutalität bemerkenswert ist.
Straßenkinder in Kolumbien
Kolumbianische Straßenkinder wachsen in einer Atmosphäre
von Gewalt und Kriminalität auf. Die Straße ist der
Ort, wo sie leben, arbeiten, Geld verdienen, schlafen, ihre
Sexualität befriedigen und die Notdurft verrichten. Beständig
bewegen sie sich an der Grenze zwischen Leben und Tod.
Um überleben zu können, brauchen sie Kreativität und Kühnheit, Geschick und Verstand. Keiner bleibt lange allein. Sie schließen sich in Banden zusammen. Damit unterwerfen sie sich einem strengen Moralkodex: Solidarität steht ganz oben.
Viele Straßenkinder sind
unterernährt, haben Entwicklungsdefizite, psychische Probleme.
Um der Angst und der Kälte zu trotzen, konsumieren sie
Drogen: "basuco" (ein Zwischenprodukt bei der Herstellung von
Kokain) oder Marihuana. Die meisten schnüffeln Benzin und
Kleber.
Damit sie sich Rauschgift besorgen können, scheuen sie keine Arbeit und Mühe: Sie sammeln und verkaufen Müll, betteln, stehlen, bewachen Autos, singen in Bussen, putzen Schuhe, waschen Fahrzeuge, schleppen Lasten, mähen Gras, prostituieren sich und handeln selbst mit Drogen.
Straßenkinder in Deutschland
Zugegeben - im Unterschied zu Entwicklungsländern geht es armen Kindern in Deutschland vergleichsweise gut.
Aber auch in einem Wohlfahrtsstaat ist Armut bitter. Kinder leiden unter den Folgen der Arbeitslosigkeit und dem sozialen Abstieg ihrer Eltern. Arme Kinder sind in ihrer seelischen, sozialen und gesundheitlichen Entwicklung akut gefährdet. Armut stiehlt die Kindheit.
Für Kinder in Deutschland
ist familiäre Zerrüttung der Hauptgrund für die
Flucht auf die Straße. Hinzu kommen Perspektivlosigkeit,
Alkoholismus, Mißhandlung und Gewalt. Als Ursache, weshalb
sie von zu Hause weggelaufen sind, nennen die meisten Straßenkinder
das autoritäre Verhalten der Eltern.
In Deutschland gibt es etwa
2000 Straßenkinder - eigentlich sind es eher Jugendliche
als Kinder. Unter ihnen gibt es eine beachtliche Zahl von Ausländern,
Marokkanern, Türken, Polen.